Camp der Renegaten
Siedlungsprojekt für die alternde Berliner Künstlercommunity
Große Weltausstellung, Tempelhofer Feld Berlin 2012
eine Veranstaltung des HAU in Kollaboration mit raumlabor_berlin
Pavillon Architektur: Nicholas Green, raumlabor_berlin
Schauspielerinnen: Margot Gödrös, Angelika Warning
Assistenz: Söke Sofia Tonat
unter Mitwirkung von Andrew Cheng (Mobiliar), Friederike Delius, Karoline Haasters (Wegweiser) und Lukas Wegwerth
„Camp der Renegaten“ ist ein Siedlungsprojekt für die Berliner Künstler-Community. Rund 10.000 KünstlerInnen leben in Berlin. Während es in der Wirtschaft nicht unüblich ist, ein Unternehmen vom Ende her zu denken, dreht sich im Kunstbetrieb alles um den Anfang, um die emerging artists. Aber angenommen, die Künstler bleiben und werden hier alt, wohin mit den Kunstgreisen in 30, 40 Jahren? 10.000 Künstler – das ist schon ein ganzer Bezirk. Höchste Zeit, über eine Künstlersiedlung nachzudenken und die Sache in die Hand zu nehmen.
Im Mangel liegt die Herausforderung kreativ mit Ressourcen umzugehen. Wir adaptierten das Hexagon als Grundmodul für die Siedlungsstruktur und errichteten auf dem tempelhofer Feld einen „Raum der Referenzen“, einen „Raum der Planung“ und ein Gehege samt Wassertank für drei Skudden, die das autarke Leben verkörperten. Der „Raum der Referenzen“ versammelte historische, aktuelle und fiktionale Aussteigermodelle, Künstlersiedlungen und Künstlerkolonien, Altersresidenzen, Städte für Alte und Methoden der Landnahme. Im „Raum der Planung“ konnten Modelle und Konzepte entworfen werden.
Das Hexagon ist als Raumkörper interessant, hat es doch von allen möglichen lückenlos aneinanderreihbaren Zellformen das beste Verhältnis von Wandmaterial zu Volumen, ist also effizient und energiesparend. Auch der Flughafen Tegel war auf Basis des Hexagons erweiterbar geplant worden. Nach seiner Stillegung gibt es dort reichlich Raum für eine Künstlersiedlung.
Im Pavillon agierten die Schauspielerinnen Margot Gödrös und Angelika Warning anhand eines Skripts, das wir aus Gesprächen mit Mit 30 KünstlerInnen jenseits der 65 entwickelt hatten. KünstlerInnen sind in der alternden Gesellschaft ein Sonderfall. Sie sind exemplarisch Alternde. Nie hören sie auf zu arbeiten. „Irgendwie schaffe ich es immer“, glauben viele auch im Alter, obgleich steigende Mieten drohen, das Lagerproblem über den Kopf wächst, die Frage des künstlerischen Nachlasses ungelöst ist, Krankheiten und Vereinsamung zunehmen und Ausstellungsmöglichkeiten schwinden. Obgleich die Stadt von der Präsenz der KünstlerInnen profitiert, stellt sie im Gegenzug kaum Ressourcen zur Verfügung. Viele leben am Rand des Existenzminimums und haben nicht viel von dem Glamour, den sie dem Image der Kunststadt Berlin verleihen. Mit dem „Camp der Renegaten“ stellten wir das Siedlungsprojekt zur Diskussion und setzten die Situation alternder Künstlerinnen und Künstler auf die Agenda.